Golf Innovation

Vom Schicksalsschlag zum glücklichen Weg in ein neues Leben

„Ich habe nach meinem Unfall immer nach vorne geschaut“, so Nachtwey.

Ortstermin Golfclub Hardenberg. Wir treffen Christian Nachtwey am Abschlag der Driving Range. Der 61-jährige Eichsfelder ist regelmäßiger Gast im Golfclub Hardenberg. Möglich macht es eine Spezialanfertigung - der Elektrorollstuhl „ParaMotion“, den Nachtwey in seiner Firma PowerBaseTec in Gieboldehausen entworfen und gebaut hat. 

Der Grund dafür war ein Schicksalsschlag, der sein Leben - wie er sagt „von links auf rechts“ gedreht hat. Denn seit 1997 ist Nachtwey nach einem Motorradunfall vom Bauchnabel abwärts gelähmt. „Eines Tages wollte ich eine Messung auf einem Grundstück vornehmen. Ich fuhr mit dem Motorrad zum Kunden. Das waren nur vier Kilometer und ich hatte nur ein Hemd und eine kurze Hose an. Auf dem Rückweg überholte ich ein Fahrzeug und sah nicht, dass mir ein Auto entgegenkam. Ich fuhr rund 80-90 Stundenkilometer schnell und landete auf dem Rücken im Straßengraben“, berichtet Nachtwey weiter. 


Zweimal für tot erklärt

Die Folgen des Unfalls waren schwerwiegend. Während er im Krankenhaus im Koma lag, wurde er zweimal für tot erklärt. „Sie brachten mich jedes Mal ins Leben zurück, aber es war schwierig, weil meine Aorta gerissen war. Sie mussten schnell eine Entscheidung treffen: zuerst die Aorta oder zuerst den Rücken operieren? Sie trafen die richtige Entscheidung, aber dann war es klar: Ich kann nicht mehr laufen.“ 

Mit einem selbstbewussten Lächeln schlägt er den Ball geschickt hinüber zum Grün. Mit den Profis will sich der Eichsfelder zwar nicht messen. Doch hat er in seiner Sportart - dem Behindertengolf - eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Heute ist Nachtwey nicht nur Präsident des Behinderten Golf ClubDeutschland e.V.. Er räumt bei internationalen Turnieren regelmäßig Medaillen und Pokale ab. Sein größter Triumph ist der Europameister-Titel 2001. Daneben war er schon achtmal Deutscher Meister, einige Male Vizemeister und gewann diverse internationale Titel in Südafrika, Dänemark, England, Österreich, Finnland, Spanien, Holland, Frankreich und der Schweiz.

„Ich habe nach meinem Unfall immer nach vorne geschaut“, so Nachtwey. Ein wesentlicher Grund waren seine zwei Kinder. „Ich konnte nicht einfach Schluss machen. Das war nie eine Option für mich“, so Nachtwey. Er musste weitermachen, denn mit 34 Jahren fühlte er sich zu jung zum Sterben. „Gott sei Dank hatte ich meine Frau, denn sie hat alles getan, damit ich wieder auf die Beine komme.“    

Die Geburtsstunde des „ParaGolfer“

Nachtwey schaffte es in der Folge, sein Unternehmen noch fünf Jahre lang weiterzuführen, entschied sich dann aber, es zu verkaufen. Für ihn wurde die Herstellung eines Outdoor-fähigen Elektro-Rollstuhls zum neuen Traum, um seine Behinderung zu bewältigen. „Ich wollte weiter Golf spielen“, erklärt er. „Alles begann, als ich einen Stehrollstuhl sah. Die Idee, einen elektrischen Rollstuhl mit einem Aufstehgerät zu kombinieren, war geboren.“  Nachtwey begann mit dem Bau eines Prototyps. „Am Anfang wollte ich diesen Rollstuhl nur für mich bauen, um ihn auf dem Golfplatz zu benutzen. Aber dann habe ich erkannt, dass es ein Geschäftsmodell sein könnte.“ Nachtwey ahnte, dass seine Idee auch vielen anderen Menschen im Rollstuhl helfen könnte, Golf zu spielen oder es zu lernen.  Es folgte im Jahr 2002 schließlich die Gründung der eigenen Firma PowerBaseTec. Von 2005 bis 2008 arbeitete Nachtwey mit dem Duderstädter Orthopädie Konzern Ottobock zusammen. 

Mittlerweile kann Christian Nachtwey nicht nur auf eine sportlich erfolgreiche Zeit, sondern auf beruflichen Erfolg zurückblicken. Durch den „ParaMotion“ konnten inzwischen weltweit viele behinderte Menschen weiter Golf spielen. Nachtwey schätzt, dass mehr als 1.500 Menschen weltweit von einem der von ihm entworfenen motorisierten Geräte bei ihrer Behinderung im Golfsport profitiert haben. Entweder durch direkten Kauf oder den Verleih in fortschrittlichen Golfanlagen. Nachtwey sieht sich heute mehr als Botschafter, während seine beiden Söhne Niclas und Jonas bereits die „Chefs“ des Familienunternehmens sind. Die Firma PowerBaseTec aus Gieboldehausen nimmt mit ihren innovativen Produkten am Innovationspreis der Landkreise Northeim und Göttingen 2024 teil.

 

Offene Meisterschaften auf Mallorca

Die gesamte Familie Nachtwey ist sehr im Behinderten-Golf engagiert und half zum Beispiel bei der Organisation eines seit langem stattfindenden Turniers auf Mallorca, den Internationalen Offenen Meisterschaften im Rollstuhlgolf. Familie Nachtwey hat gemeinsam mit der Organisation „Handisport Mallorca“, die mittlerweile übernommen wurde und von Sohn Jonas geführt wird, die erste Rollstuhlgolf WM 2018 mit Spielern aus 22 Ländern organisiert. Zudem veranstaltet Familie Nachtwey mit Handisport jedes Jahr ein großes Turnier auf Mallorca und in diesem Jahr im November  die „Mediterranean Open“, die für alle Golfer mit und ohne Behinderung offen sind. „Anmeldungen sind noch möglich“, sagt er.  

Autor: Bernard Marks
Fotonachweis: Marks
Mehr Engagement für die Natur
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