
Der Stereotyp des Vernunftgolfers beschreibt ein auf dem Platz gern gesehenes Clubmitglied, regelfest, mit der Etikette gut vertraut. Man kennt seine Schwächen, weiß um seine Fähigkeiten. Man spielt vorausschauend, hält sich 'Mitte Fairway', im Zweifel legt man vor und grundsätzlich vermeidet man Experimente. So halten sich etwaige Dramen in Grenzen, man ist ja schließlich nicht auf den Platz gekommen, um sich zu ärgern. Das Suchen im Gebüsch und Rettungsschläge aus 'schwieriger Lage' überlässt man getrost den Anderen, den Kreuzundquer-Golfern.
Was bis dahin im Wettspielkalender fehlte
Zu diesen Anderen, zu denen, die den Platz, natürlich unfreiwillig, aus den unterschiedlichsten und immer neuen Perspektiven erleben, zu denen zählt sich auch der Verfasser dieser Zeilen. Dieser weiß den Kurhessischen Golfclub als seinen Heimatclub und in dessen Wettspielkalender fehlte nach dem jüngsten Saisonabschluss ein wichtiges Zusatzevent für die Golfenden seiner ureigenen Spezies: Das Querfeldeinturnier. Was ist denn da passiert?
Parcours-Designer gesucht!
Ein Parcours musste her, klar, doch woher nehmen? Ein Screenshot vom Platz auf Papier und ein Stift in der Hand ist schon mal ein guter Plan. Aber wo beginnen? Neulich am 18er Grün, so erinnere ich mich, blickten wir hinunter zum Grün der Bahn 2. Drei Bahnen tiefer, wie auf einem Silbertablett präsentiert, liegt es da. Knapp über 200 Meter zur Fahne sagt der Laser. Von hier oben mit dem Driver das Grün angreifen, das wär's doch. Na wenn nicht jetzt, wann dann? Also Bahn 1 unseres Parcours hätten wir schon mal.
Gleich daneben, am Abschlag 4 sehe ich was, was du nicht siehst, nämlich das 5er Grün: Neuner Eisen, blind über dichtes Buschwerk, trotzdem machbar. Ich sehe schon, sie werden alle angreifen. Nur, den rechten Grünbunker samt Baum davor hat von hier aus niemand auf dem Schirm, garantiert. Okay, bleiben wir fair. Ein 80 Meter Pitch am Gehölz vorbei, vor das Grün 3 und dann noch rund 70 Meter hoch zum Grün 5 machen ein super kurzes Par 4 daraus. Ich nenne es „Das Feigling-Par 4“. Und um sie alle gleich mal richtig zu triggern, stecken wir hier auch noch den Nearest to the Pin und zwar mit dem 2. Schlag. Das wird ein Spaß...
Vom „Kurzen Bubi“ zum „Ollen McQueen“
Nach dieser kurzen Bahn folgt jetzt ein schöner, langer Spaziergang. Ein Par 6. Ein Querfeldeinkurs, der etwas auf sich hält, braucht natürlich ein Par 6, ganz klar. Diese dritte Bahn nennen wir „6nach10“, 570 Meter vom Abschlag 6 zum Grün 10. Der halbe Golfplatz für eine einzige Bahn. Läuft doch, scheinbar ist an mir echt ein Golfplatzdesigner verloren gegangen. Was danach folgt, sollte der Kreuz-und-Quer-Spezies vertraut sein. Wir spielen wieder von der 12 hoch zur 13. Das gab es schon öfter, so erst letztes Jahr bei Jörg „Bubi“ Bublitz' Parcours.
Diesmal aber mit vorverlegten Abschlägen und rot gestecktem Rough, dann wird es vielleicht nur halb so dramatisch. Unsere vierte Bahn ist somit also jetzt „Der kurze Bubi“. Next Tee: „Kurz ums Eck“, danach quer über die Oberaulaer Backnine und über ein kurzes Präzisions-Par 3 an den Abschlag 2. Ziel: Grün 4. Vom Ladies-Tee ist das Grün sogar in Sichtweite. Dazwischen wuchert allerdings kniehohes Hardrough bei gut acht Metern Höhenunterschied. Das macht garantiert schlechte Laune. Problem erkannt; wir klopfen auf dem kurzen Dienstweg beim Platzwart an und Headgreenkeeper Paul mäht flugs eine Fairway-Schneise ins Unpassierbare.
Klassiker des Head-Pros Andrew
Abschließend geht es vom Abschlag 5 zurück zur 18, ein Klassiker unseres einstigen Head-Pros Andrew. Mit anerkennendem Respekt wird auf der Scorekarte daraus kurzerhand „Der olle McQueen“. Was bin ich doch für ein Schelm... Aber kann es sein, dass es früher irgendwie viel einfacher war, hier über die Bäume zum Grün zu schlagen? So lange ist das schon her.
Drop-Zonen an den zwei kniffeligsten Ecken sollten ein entspanntes Spiel für alle Geschlechter und in jeder Spielstärke erlauben; fertig ist der Querfeldeinparcours. Neun Loch, zweimal absolviert, ergibt Par 72, passt! Der erstmals vorab im Netz geteilte Kurs verführte so manchen Kandidaten in den Tagen vor dem Turnier, den einen oder anderen testweisen Querschlag zwischen den Fairways zu versuchen. Da wurde tatsächlich schon heimlich geübt.
Vom sportlichen Nebelstart und Eagleputts
Gegen den für Sonntag morgens um 10:00 Uhr geplanten Kanonenstart hatte der Oberaulaer Herbstnebel ziemlich undurchblickbare Argumente. Eine halbe Stunde später ließen sich die Grüns in Schlagweite wenigstens erahnen, sodass endlich abgeschlagen werden konnte.
Erkenntnis #1: Der Driver war auf dem Par 3 ins Tal nicht immer eine gute Wahl. Ein satt getroffener Abschlag war oft zu lang und mithin dahinter unauffindbar.
Erkenntnis #2: Das Buschwerk der zweiten Bahn wurde meistens unerwartet gut überspielt und oft war nach dem zweiten Chip aufs Grün der Birdie eine realistische Option.
Martin Hahn traf das Grün in beiden Umläufen direkt, puttete also jeweils zum Eagle. Im ersten Durchgang blieb der lange Putt 27 Zentimeter zu kurz. Im zweiten lag sein Abschlag weniger als zwei Meter von der Fahne entfernt, doch der Putt lippte knapp aus. Keine Verbesserung zum ersten Durchgang. Es blieb zweimal beim Birdie. Für die Nearest-to-the-Pin-Wertung hielten die 27 Zentimeter aber bis zum Schluss. In der Damenwertung holte sich Christina Schwalbach mit 1,09 Metern diesen Preis.
Mit Sonderpreis vom Pressewart
Auch bei „Pressewarts Sonderpreis“, dem Longest Drive mit dem 2. Schlag auf dem Weg von den 16er Abschlägen hin zum Grün 14, war Schwalbach unter allen Damen die Beste. Bei den Herren hatte Francesco Iuzzolini im zweiten Durchgang auf diesem Par 5 nach zwei perfekten Schlägen noch knapp 100 Meter zum Grün. So ging die Wertung bei den Herren verdient an ihn.
Glaßl, Hauer und Hahn am Ende vorn
Nach fünfeinhalb Stunden waren alle zurück am Clubhaus, wo Ronny Glaßl schon den Grill gezündet hatte, auf dem die Belohnungs-Thüringer für alle Teilnehmer brutzelten. Dabei konnte er nur von der Siegerehrung sponsored by GolfHouse unterbrochen werden. Die Nettoklasse A gewann der Wahl-Oberaulaer nämlich mit 40 Punkten. Zweiter wurde Ozan Ulusoy (39) vor Vorjahressieger Jörg Bublitz (38). In der Nettoklasse B war Michael Hauer mit zwei Birdies und 44 Nettopunkten unübertroffen und siegreich. Es folgten hier Benedikt Weyrich vor Frank Hecker. Die Bruttowertung sicherte sich einmal mehr Martin Hahn, um die er allerdings nach einem Patzer auf der ersten Bahn noch kämpfen musste. Am Ende reichten 24 Bruttopunkte für den Sieg vor den Verfolgern Hauer, Bublitz und Thomas Decher mit jeweils 23 Punkten.