Gesundheit
Veröffentlicht am: 13.08.2025 11:42, Lesezeit: 3 Minuten

Erstmals in Deutschland: Herzschrittmacher für Frühchen Elisabeth

2,7 Zentimeter in der Länge misst der spezialangefertigte Herzschrittmacher für Neugeborene

Spektakulär Eingriff: An der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist einem frühgeborenen Mädchen erstmals in Deutschland ein individuell modifizierter, besonders kleiner Herzschrittmacher implantiert worden. Die Operation erfolgte unmittelbar nach der Geburt durch Prof. Dr. Theodor Tirilomis, Schwerpunktleiter für Kinderherzchirurgie der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der UMG.

Das Kind – ein Mädchen mit dem Namen Elisabeth – war in der 35. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 2,2 Kilogramm per Kaiserschnitt auf die Welt geholt worden, nachdem sich die Herzfrequenz deutlich verschlechtert hatte.

Seltene Herzrhythmusstörung im Mutterleib erkannt

Bereits im Mutterleib war bei dem Kind eine seltene Herzrhythmusstörung, ein sogenannter kompletter atrioventrikulärer Block, kurz: totaler AV-Block, festgestellt worden. Dabei ist die elektrische Weiterleitung zwischen Vorhof und Hauptkammer des Herzens unterbrochen, wodurch das Herz zu langsam schlägt. Die Diagnose erfolgte in der Abteilung für Kinderkardiologie und Intensivmedizin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG mittels pränataler Echokardiografie, einer Ultraschalluntersuchung des kindlichen Herzens vor der Geburt.

2,7 Zentimeter stärken das Herz mit Schrittmacher

Unmittelbar nach der Entbindung wurde das Neugeborene in den Operationssaal gebracht. Nach Eröffnung des Herzbeutels setzte das Operationsteam um Prof. Tirilomis zwei Elektroden einer sogenannte bipolaren epikardialen Sonden direkt auf die Oberfläche des Herzens. Die Sonden wurden anschließend mit dem Herzschrittmacher verbunden. Sie übertragen elektrische Impulse vom Gerät auf den Herzmuskel und sorgen so für einen regelmäßigen Herzschlag mit ausreichend hoher Frequenz.

Der nur knapp 2,7 Zentimeter lange Schrittmacher wurde anschließend in einer geschützten Position im linken Unterbauch platziert. Das spezialangefertigte Gerät ist etwa 93 Prozent kleiner als herkömmliche Herzschrittmacher, etwa so groß wie eine große Vitaminkapsel, und hat eine erwartete Laufzeit von mindestens zehn Jahren. Die Operation dauerte insgesamt etwa zwei Stunden. Zurück bleibt bei dem kleinen Mädchen eine schmale, etwa 2,5 Zentimeter lange Narbe.

„Der Zustand des Kindes erforderte ein schnelles Handeln direkt nach der Geburt. Dank der engen Zusammenarbeit mit einem internationalen Medizintechnikunternehmen konnte ein spezieller Miniatur-Schrittmacher zur Verfügung gestellt und innerhalb weniger Stunden implantiert werden“, sagt Prof. Tirilomis.

Herzschrittmacher wurde in den USA modifiziert

Der Herzschrittmacher wurde speziell für den Einsatz bei Neugeborenen in den USA modifiziert. Die Sonderzulassung für den Einsatz in Deutschland wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn kurzfristig erteilt. An der Operation beteiligt waren SpezialistInnen aus den Bereichen Kinderherzchirurgie, Kinderkardiologie, Anästhesie, Neonatologie sowie dem Pflege- und Pflegefunktionsdienst.

„Ein Eingriff unmittelbar nach der Geburt stellt höchste Anforderungen an alle Beteiligten – medizinisch, logistisch und emotional. Wir sind stolz, dass unser Team diese Herausforderung gemeinsam gemeistert hat“, so Prof. Tirilomis.


Seltene Technik für eine seltene Erkrankung

Standardisierte Herzschrittmacher sind bislang nicht für die Anwendung bei Früh- und Neugeborenen ausgelegt. Die geringe Körpergröße, das noch nicht ausgereifte Gefäßsystem und die Notwendigkeit, Platz für zukünftiges Wachstum zu lassen, stellen besondere Herausforderungen dar. Weltweit machen bei Früh- und Neugeborenen implantierte Herzschrittmacher nur einen Bruchteil aller medizinischen Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen aus.

„Dank intensiver Vorbereitung und innovativer Technik konnten wir dem Kind bereits in den ersten Lebensminuten helfen. Das ist ein großer Fortschritt in der Versorgung herzkranker Neugeborener“, sagt Priv.-Doz. Dr. Ulrich Krause, Leiter (komm.) der Abteilung für Kinderkardiologie und Intensivmedizin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG.

Das kleine Mädchen wird in den nächsten Wochen engmaschig durch die Kinderkardiologie und Neonatologie der UMG betreut.

Fotonachweis: UMG | Eva Meyer-Besting

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