
Selten zuvor präsentierte sich das Wetter im März und April so prächtig wie in diesem Frühjahr. Die Sonne strahlte aus allen Knopflöchern. Und die Golfplätze kamen dank des unermüdlichen Einsatzes der Greenkeeper in Rekordtempo in Top-Form. Wäre da nicht ein heimtückisches Virus gewesen – die in dieser Hinsicht nicht immer verwöhnten Nordhessen und Südniedersachsen hätten früh wie nie nach der Pause wieder ihrem Hobby nachgehen können. So aber mussten sich die Aktiven in Geduld üben. Bei manchem Zeitgenossen spannte sich der Geduldsfaden am Ende fast im Übermaß. Bis es Anfang Mai endlich so weit war, und die politisch Verantwortlichen schließlich das ersehnte grüne Licht gaben. Da stellen sich Fragen. Zum Beispiel: Wie haben die Golferinnen und Golfer in unseren Breitengraden die lange Durststrecke verbracht? Wo und wie haben sie sich fit gehalten? Was ist in der langen Phase der Abstinenz an die Stelle des Hobbys mit dem weißen Ball getreten? Und: Welche Folgen könnte die Krise mittel- und langfristig nach sich ziehen? Wir haben uns in der Region umgehört.
Rolf Kieckebusch hatte bereits kurz nach dem Beginn des Shutdowns eine Vision. Gewürzt mit einer kräftigen Prise Humor, erklärte der Kasseler: „Das Erste, was ich tun werde, wenn die Plätze wieder öffnen, ist, zum Club zu fahren, an Tee 1 zu gehen, meinen Ball aufzuteen, die gute Golfplatzluft einzuatmen, einen stillen Dank auszusprechen und abzuschlagen. Das Zweite, was ich tun werde, ist, einen provisorischen Ball zu spielen!“
Mundschutz und Kappe?
Gerd H. Sturm nahm einen klaren Standpunkt zur Bedeutung der Corona-Krise für den Golfsport ein. „Sicher ist Golf in diesen schweren Zeiten nicht die wichtigste Sache der Welt“, so der Waldecker Hermina-Captain. Schließlich stünden viele Arbeitsplätze und Unternehmen auf dem Spiel.
Hätte es für die Golfplätze eine Sonderregelung geben sollen? „Nein“, sagt Sturm entschieden. Denn dann hätte die Öffentlichkeit vom elitären Sport gesprochen, der Sonderrechte durch Vitamin B durchsetzen wollte. Andererseits, gab er zu bedenken, seien Joggen, Radfahren, Reiten und Motorradfahren erlaubt gewesen, während in den Städten viele Menschen teilweise auf engem Raum unterwegs gewesen seien.

Es sei schon eine ganz spezielle Zeit gewesen, fasst Silke Peil zusammen. „Zufällig hatten wir noch die Snag-Golfausrüstung des HGV zuhause und übten fleißig das Chippen im Garten“, berichtet die Oberaulaerin.
Es sei zwar nicht so gut wie das richtige Golfen gewesen, habe aber „doch mächtig Spaß gemacht“. Wenn die Langeweile zu groß geworden sei, hätten sie und ihr Partner gebastelt und „das Virus geschlagen“.
Peil erwartete, dass es eine Zeit dauern werde, „bis wir wieder ein Turnier spielen können“. Aber vielleicht werde es bis dahin ja als modisches Accessoire einen Mundschutz „passend zur Kappe oder zum Outfit geben“. „Was ich mir allerdings überhaupt nicht vorstellen kann, ist die Begrüßung ohne das obligatorische Küsschen“, so Peil.
Tiefe der Divots erforschen
„Es ist nicht der mutig, der keine Angst hat. Sondern der, der seine Angst überwindet“. So zitierte die Kasseler Sportgemeinschaft Stern Mahatma Gandhi. Sie rief ihre Mitglieder auf, gegen das mulmige Gefühl anzusteuern, sich nicht verrückt zu machen und loszulegen. „Bleibe dir und deinem Sport treu und sei anderen ein positives Vorbild“, forderte die SG Stern auf.
Dr. Friedrich Niederquell setzte einen alternativen Schwerpunkt: „Für die neue Saison ist es wichtig, die optimale Tiefe der Divots genau zu erforschen.“ Die Spielwiesen hätten sich dank Corona „wunderbar erholen können“ und dürften nicht gleich wieder „kaputtgeschlagen werden“.
Bei ihm, so der verschmitzte Waldecker, laufe ein Forschungsprojekt mit wissenschaftlicher Auswertung über den Uni-Golfplatz Göttingen. „Wir haben ein Joint Venture gegründet und werden die Ergebnisse schnellstmöglich bereitstellen“, versprach Niederquell im eigenen Garten und äußerte die Hoffnung, „dass es bald wieder losgeht“.
Besserer Zusammenhalt
So blickt Stefan Quirmbach, Chef der Golfschule am Hardenberg und Präsident der PGA of Germany, auf die Corona-Auszeit zurück: „Sieben harte Wochen liegen hinter uns. Von einem zum anderen Tag wurden die Plätze geschlossen, wir durften weder spielen noch unterrichten. Das Erste raubte uns unser Hobby, das Zweite unsere wirtschaftliche Basis. In den Monaten, in denen Professionals normalerweise einen Großteil ihrer Umsätze generieren, wurden wir in die Gärten verbannt. Es forderte viel Geduld und Erklärungen auf dem Weg zur erneuten Öffnung.
Mit Hilfe aller Mitarbeiter der PGA-Geschäftsstelle wurde jeder Hinweis aufgenommen, auf die rechtliche Basis untersucht und auf der Homepage der PGA veröffentlicht. Wir veranstalteten viele Videokonferenzen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Es hat uns viel gelehrt. Der Zusammenhalt ist besser geworden, die gegenseitige Unterstützung hat zugenommen. Darauf bin ich stolz.
Wie wird es weitergehen? Wir hoffen alle, dass nicht nur Golf wieder zur Normalität zurückkehren kann. Unser Sport ist bestens geeignet, in dieser Zeit gespielt zu werden. Am meisten freue ich mich darauf, wenn wir nach einer Runde wieder im Clubhaus zusammensitzen und den Abschluss eines Golftages feiern werden.“ • ralo
Vermissen uns die Bahnen?
Auch Dr. Klaus Isert nahm es mit Humor. „Unser Golfplatz ruht. Möglicherweise nimmt er uns das gar nicht mal übel. Niemand geht darüber und ärgert sich mit mehr oder weniger unschönen Worten“, resümierte der Praforster.
Vielleicht, mutmaßte Isert, seien die Bahnen aber auch schon so weit, „dass sie uns vermissen, weil es ihre Bestimmung ist, mit uns zu spielen“. Und sicherlich würden wir das auch gern tun, wenn da nicht das nie geglaubte, aber uns alle beherrschende Szenario wäre, so der Osthesse.
Werner Diemer berichtet: „Ich bin viel mit dem Rad durch unsere schöne Natur gefahren.“ Für ihn habe sich herauskristallisiert, je weniger er Golf spiele, umso besser klappe es. „Das mag sich komisch anhören. Aber bei mir ist das so“, erklärt der Wissmannshofer.
Seine Clubkameradin Dr. Andrea Fröhlich chippte derweil im Garten und putzte ihr Bag. „Und wie alle anderen konnte ich es kaum abwarten, bis es mit dem Golfen wieder losging“, gibt sie zu.
Zusätzlich fing sie erneut „mit dem Nähen an“. Das verband die Kreative mit ihrem Hobby. Fröhlich: „Mein Renner sind kleine Tee-Beutelchen. Darin kann man nicht nur Tees, sondern auch seinen kleinen Birdie-Schnaps verstauen!“

Sagt jedenfalls Dr. Friedrich Niederquell. Und der kennt sich aus.
Per Pitch in den Wassereimer
Keine Frage, während der Krise war jeder ein kleiner König, der einen eigenen Garten hat. „Das gilt erst recht, wenn man Golfer ist und der Garten eine beträchtliche Größe hat“, sagt Astrid Witte.
Dieses Glück hat die Kasselerin – und konnte so regelmäßig trainieren. „Für den Aufstieg unserer Damenmannschaft in die Regionalliga“, wie sie lachend erklärt. So oft wie möglich übte die Ahnatalerin das kurze Spiel, indem sie auf bestimmte Ziele, zum Beispiel eine Holzpalette, und definierte Entfernungen zielte.
Trainer Mike Mclean förderte sein Team, indem er der WhatsApp-Gruppe Aufgaben mit auf den Weg gab. „Jede Woche mussten wir uns einer Challenge stellen und das Ergebnis per Video abliefern“, erklärt Witte. Als Vorbild machte der Pro mit. So konnten sich die Spielerinnen auf dessen Video ansehen, wie die Pitch-Bewegung in den zehn Meter entfernten Wassereimer auszusehen hat.
Wer über keinen Garten verfügte, für den (bzw. die) gab es die Putt-Challenge. Es handelte sich um drei Versuche in ein 2,50 Meter entferntes Dreieck, geformt aus Holz-Tees.
Witte: „Es kommt einem vor, als würde man kegeln. Aber es macht Spaß.“ Außerdem sei man jedes Mal aufs Neue gespannt und aufgeregt, „was die anderen so abliefern“.

Tagen. Darin lassen sich nicht nur Holzstückchen, sondern auch kleine Fläschchen Birdie-Schnaps verstauen. Wetten, dass!
Deutliche Worte in Praforst
In Praforst registrierte der Vorstand verärgert, dass sich längst nicht alle Golfer an die Auflagen hielten. Vor dem Hintergrund sahen sich die Verantwortlichen zu deutlichen Worten veranlasst. „Folgender Hinweis ist aus unserer Erfahrung leider notwendig: Damit nicht einige wenige Unverbesserliche allen Mitgliedern die Golferei verderben, werden wir jede Person, die gegen die Auflagen verstößt, mit einem Spielverbot für 2020 sanktionieren“, formulierte der Vorstand.
Stefan Quirmbach, Chef der Golfschule am Hardenberg, mochte in den ominösen Wochen nicht auf den Schwung mit dem Schläger verzichten. „Ohne Golf geht gar nichts“, unterstrich der Professional kämpferisch. Also habe er kurzerhand im Garten einen Schwungkäfig aufgebaut und im Wohnzimmer die Putt-Matte ausgerollt. „Die Hanteln und Kettle-Bells liegen in der Diele“, fügt er hinzu.
Um seinen Schülern einen Service zu bieten, verwies Quirmbach auf den YouTube-Kanal und seinen Facebook-Account, wo Interessenten sich aktuelle Trainingstipps „sowohl live aus unserem Garten als auch aus der Serie von www.golf.de aus dem Vorjahr“ ansehen konnten.

Vom Teaching zum Playing Pro: Ass Marcel Siem sprach im Interview mit dem Magazin GolfTime über seine Auszeit zuhause. Auch der viermalige Tour-Sieger durfte nicht auf den Platz gehen. Betont sachlich erklärte er: „Als Golfer sollte man keine Extrawurst fordern. Wir Golf-Profis üben keine systemrelevanten Jobs aus!“
Pausenlose Klicks auf Homepage
„Endlich, die golffreien Tage scheinen zu enden“, frohlockte Jürgen Wundrack zum lang ersehnten Finale des Lockdowns. Eine beliebte Übung der Aktiven sei das pausenlose Anklicken der Club-Homepage gewesen. Gemäß dem Motto: „Was gibt es Neues? Wann endlich?“
Andere „von unserem Sport Begeisterte“ hätten vermutlich hinlänglich „trocken geübt“, mutmaßt der Präsident des Clubs Rothenberger Haus. Schmunzelnd blickt er in die Zukunft: „Wir gehen davon aus, dass die Unterspielungen reihenweise gelingen und ganz viele Einstellige unsere Anlage bevölkern werden.“
Der Golfplatz und alles, was dazugehöre, werde so bleiben, wie es vor der Pandemie gewesen sei, prognostiziert Wundrack. „Allein die Lebenseinstellung wird demütiger. Denn der Background aller Golfer ist privilegiert. Das hat uns die Corona-Zeit täglich vor Augen geführt“, betont der Niedersachse. • ralo