Life & Style
Veröffentlicht am: 16.10.2025 09:22, Lesezeit: 3 Minuten

Quo Vadis Ryder Cup: Team Europe und die Sensation im Bethpage State Park

Auch gut zwei Wochen nach dem Triumph der Europäer beim Ryder Cup im amerikanischen Bethpage sind die Versäumnisse der PGA als Veranstalter und die Entgleisungen der amerikanischen Golffans nicht ausgestanden, geschweige denn überwunden.

So sensationell der vorentscheidende Vorsprung des Teams Europe rund um Captain Luke Donald, McIlroy, Rahm und Co. am Samstag nach den Vierern war, so beschämend war das unsportliche und respektlose Verhalten von Zuschauern und Offiziellen an den ersten beiden Tagen dieses geschichtsträchtigen Turniers.

Aufgeladene Atmosphäre bei den Golffans

Die New Yorker Sportfans gelten gemeinhin als hitzköpfig und unzivilisiert, unfair und teilweise aggressiv.  Es war zu erwarten, dass die Atmosphäre aufgeladen, hitzig und laut werden würde. Auch beim letzten US-Gastspiel des Cups in Whistling Straits vor vier Jahren gab es Anfeindungen und Beleidigungen unter anderem gegen den Iren Shane Lowry und seine Frau.

Dennoch zeigte sich Lowry vor dem Start noch zuversichtlich und verwies darauf, dass die europäischen Spieler viele Fans in den USA hätten.  Aber die jüngste Geschichte des Cups zeigt ein anderes Gesicht.

Wenn Feindseligkeiten im Sport Oberhand gewinnen

Sobald die Golfstars unter der Flagge eines Landes antreten, bekommt bei Fans Nationalismus und Feindseligkeit gegenüber dem gegnerischen Team schnell die Oberhand. Auch in Rom 2023 gab es Situationen, die nichts mit der Etikette des Sports zu tun haben.

Aber die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung in den USA legt den Gedanken nahe, dass Hassrede, Pöbelei und Schmähgesänge gegenüber dem Gegner nicht nur toleriert werden, sondern schon salonfähig geworden sind.

Fehlender Respekt und Fairness beim Ryder Cup 2025

Wenn dann auch der Präsident der Vereinigten Staaten sein Erscheinen ankündigt und seiner bekannt selbstverliebten Art mit den US-Stars abklatscht, ist zu erwarten, dass das nicht zu mehr Fairness und Respekt bei den amerikanischen Fans beitragen wird. Der Ryder Cup 2025 drohte kurzzeitig in eine toxische Politshow abzudriften.

Ein Cup, der in die Geschichte eingeht

Was den europäischen Spielern - und ganz besonders dem Masters-Sieger Rory McIlroy - am Samstag entgegengebracht wurde, war auch in der Geschichte des Ryder Cups ohne Vergleich.

Geschrei, homophobe Beleidigungen, Diffamierungen in einer noch nie dagewesenen Intensität… Nicht etwa nur zwischen den Schlägen, sondern auch in der Vorbereitung zum Schlag. Alles geschah unter den Augen von Ordnern, Polizei und Referees.

Unter solchen Bedingungen bei sich zu bleiben und konzentriertes Golf zu spielen, ist so gut wie unmöglich. McIlroy platzte mehrmals der Geduldsfaden. Es gab den Mittelfinger und auch Beschimpfungen in Richtung Publikum, die nicht der feinen, englischen Art zugehören.

Marshals mussten für Ruhe sorgen  

Sicher waren das auch keine deeskalierenden Aktionen, aber in der Anspannung des Wettbewerbs durchaus menschlich verständlich. Auf Bahn 6 saß McIlroy minutenlang auf dem Grün und weigerte sich zu putten, bis die Marshals endlich halbwegs für Ruhe sorgten.

Mehr als verstörend stellt sich in diesem Zusammenhang das Verhalten der Veranstaltenden dar. Die amerikanische Schauspielerin Heather McMahan war als „MC“ (Master of Ceremony) engagiert worden, und sie hielt es für eine gute Idee, das Publikum am Tee 1 zum bizarren Tiefpunkt des Tages zu „Fuck you Rory“-Gesängen anzustacheln.

US-Team äußert keine Kritik



Wenigstens hatte man seitens der Organisation dann doch so viel Anstand, die Dame am Finaltag nicht mehr zu bemühen und auch eine Entschuldigung soll der Moderatorin später in Richtung Rory McIlroy über die Lippen gekommen sein. Seitens der amerikanischen Spieler oder auch von Captain Keegan Bradley hat es bisher keinerlei Kritik am Verhalten der Fans gegeben.

Sensationelles Teamplay bei den Europäern

Andere haben sich für die Entgleisungen der vielen angetrunkenen Störer unter den amerikanischen Fans bei den Europäern entschuldigt.

Der achtfache Ryder Cup-Sieger Tom Watson äußerte sich auf X bestürzt: „Ich gratuliere dem Team Europe zum Sieg, Euer Teamplay an den ersten Tagen war sensationell.  Noch wichtiger ist, dass ich mich für das unhöfliche und bösartige Verhalten unserer amerikanischen Leute in Bethpage entschuldigen möchte. Als ehemaliger Spieler, Kapitän und Amerikaner schäme ich mich für das, was passiert ist.“

Und auch PGA Chef Derek Sprague konnte sich nach gut einer Woche zu einer Stellungnahme und Entschuldigung in Richtung Rory McIlroy und seine Frau Erica durchringen.

 "Es ist bedauerlich, dass die Leute letzte Woche die Grenze überschritten haben", sagte Sprague dem Golf Channel (via BBC). "Dafür gibt es beim Ryder Cup keinen Platz, im gesamten Golfsport gibt es keinen Platz dafür und wir sind nicht glücklich mit dem, was letzte Woche passiert ist. Ich habe noch nicht mit Rory oder Erica gesprochen, aber ich habe vor, ihnen eine E-Mail zu schicken, in der ich mich aufrichtig für das entschuldige, was passiert ist"

Die Störer in der Minderheit, aber...

Zur Ehrenrettung muss aber auch erwähnt werden, dass ein Großteil der amerikanischen Fans sich fair und gesittet verhalten haben, wie es auf einem Golfplatz eigentlich Usus sein sollte.

Das Geschehene aber zeigt, wie leicht es ist, zu ungebremstem Hass gegen Gegner, Minderheiten, oder Andersdenkende anzustacheln – und wie schnell moralische Grenzen überschritten und zivilisierte Gesellschaftsregeln ausgehebelt werden können, wenn die Führungsriege einer Gesellschaft dem Populismus Bühne und freies Geleit bietet.

Neues Muster in der Sportwelt?

In Bethpage waren die Störer weder am Golfsport interessiert noch am Sieg oder an der Niederlage eines Teams oder Kontinents. Die einzige Motivation derer war das verbale Niedermachen der Gegner. Ein Muster, das nicht nur im Sport, nicht nur in den USA, sondern leider auch hierzulande in der öffentlichen Debatte wieder öfter möglich wird.

Bei extremistischen Kundgebungen oder Hassrede in der Anonymität der sozialen Medien ist es traurige Realität. Dass ein solches Verhalten an einem Ort und in einem Sport zugelassen wird, der Respekt und Höflichkeit gegenüber dem Gast und Gegner als grundsätzliche Verhaltensregel postuliert hat, lässt nicht nur Golfende in der ganzen Welt ratlos zurück.

Kleine Sensation bereits ab dem ersten Tag

Die Europäer sind den Entgleisungen an den ersten beiden Tagen auf ihre ganz eigene Weise begegnet, mit Besonnenheit, Teamgeist und mit sensationellem Golfspiel. Die Wettbüros maßen dem europäischen Team eine Siegchance von höchstens 35 % bei.  Schon am Freitag zeichnete sich insofern eine kleine Sensation ab.

Vor den Augen des US-Präsidenten und rund 50.000 Zuschauern gingen die ersten drei Foursome Matches mehr als deutlich an Europa.

  • McIlroy/Fleetwood konnten das Match bereits nach der Bahn 14 mit 5&4 gegen Morikawa/English entscheiden und Aberg/Fitzpatrick hatten gegen Scheffler/Henley nach 15 Löchern einen uneinholbaren Vorsprung.
  • Rahm/Hatton entschieden das Match gegen DeChambeau/Thomas ebenso schon auf dem 15. Grün.
  • Einzig Schauffele/Cantlay konnten am Vormittag einen Punkt für die USA einfahren und gewannen mit 2Up gegen Hovland/McIntyre. Also 3:1 für Europa vor den Fourballs des Freitag.

Am Nachmittag ging es mit der Golfshow der Europäer dann munter weiter. 

  • Die spanisch/österreichische Paarung Rahm/Straka brauchte gegen das Team Scheffler/Spaun 16 Löcher bis zum Sieg. 
  • Fleetwood/Rose holten ihr Match knapp.
  • McIlroy/Lowry teilten den Punkt.
  • Die Skandinavier Aberg/Hojgaard unterlagen Young/Thomas dagegen deutlich.

So ging es mit 5 ½ : 2 ½ für Europa in den Samstag.

Euroshow an allen Fronten

Sowohl die Foursomes als auch die Fourballs des hitzigen Samstages lieferten jeweils ein weiteres 3:1 für Europa, so dass die Sensation vor den Single Matches perfekt war. Ein schier uneinholbarer Vorsprung von 11 ½ : 4 ½ prangte von der Anzeigetafel herunter.  Der führende der Weltrangliste Scottie Scheffler war bis zu diesem Zeitpunkt noch punktlos. 

In der Theorie würden also nur noch 2,5 Punkte gebraucht, da Europe bei einem Unentschieden als Titelträger den Sieg zugesprochen bekäme.  Am Sonntag wurde bekannt, dass Viktor Hovland aus gesundheitlichen Gründen nicht spielen konnte. Nach der umstrittenen Envelope Rule wird das Match geteilt. Der für diesen Fall vor dem Match von den Captains in einem Umschlag hinterlegte Name des Spielers, der dem geteiltem Match zugeordnet wird, war Harris English.

Europa benötigte nur noch 2 Punkte. 

Die Rückkehr der US-Stars

In der ersten Stunde der nacheinander gestarteten Singles schien die Sache für Europa weiter rund zu laufen. Matthew Fitzpatrick, erarbeitete sich auf den ersten sieben Loch einen fünf Punkte Vorsprung gegen Bryson DeChambeau. McIlroy lag gegen Scheffler vorn und auch ansonsten leuchtete mehr blau als rot auf.

Und dann starteten die Amerikaner eine der beeindruckendsten Aufholjagden der Ryder-Cup Geschichte. Match um Match drehte sich auf die rote Seite. Cameron Young und Justin Thomas gewannen ihre Matches mit Birdie auf dem letzten Grün.  DeChambeau drehte 5 Down zum A/S.  

Der schon sicher geglaubte Punkt für Europa war nur noch einen halber.

Scheffler rang McIlroy im Spitzenduell nieder und brachte so persönlich wenigstens einen Punkt in die US-Teamwertung.  Einzig Aberg punktete als Europäer in den Singles. Es fehlte noch ein halber Punkt für Europa zum Sieg.

Dann kamen Shane Lowry und Russell Henley auf das 18. Grün. Henley führte 1Up, Lowry brauchte den Birdie und schob aus rund drei Metern ein.  Um 17:15 war die Sensation endlich geschafft.

„Das waren die schwersten Minuten meines Lebens", rief ein erleichterter Lowry unter Tränen in die Mikrofone: "Ich kann nicht glauben, dass dieser Ball reingegangen ist. Der Ryder Cup bedeutet mir alles. Ein Traum wird wahr.“

Am Ende stand es dann 15:13 für Europa. Mit diesem elften Sieg bei den vergangenen 15 Ryder Cup Ausgaben hat Europa erneut die amerikanische Vormachtstellung im Profigolf in Frage gestellt.

The Spirit of the Game

2027 wird der Ryder Cup sein 100-jähriges Bestehen feiern. Die Jubiläumsausgabe wird zum ersten Mal im Adare Manor im County Limerick in Irland ausgetragen. Es ist als nun an den Europäern mit den Erfahrungen aus Bethpage dem Turnier wieder die Würde zu verleihen die dem Turnier gebührt und den Spirit of the Game mit Fairness, Gastfreundschaft und Sportsgeist aufrecht zu erhalten.


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