
Inmitten der sanften Hügel des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land zieht eine ganz besondere Schafherde über die Wiesen: Walachenschafe, eine alte, vom Aussterben bedrohte Nutztierrasse, die von der Witzenhäuser Schafhalterin Christel Simantke und einem dreiköpfigen „Schafteam“ mit Hingabe und Überzeugung gehalten wird. Mit ihren markanten Hörnern, dem langen Fell und ihrer Widerstandsfähigkeit sind sie perfekt an die Region angepasst. Doch ihre Bedeutung geht weit über ihr äußeres Erscheinungsbild hinaus – sie sind Teil eines größeren ökologischen Kreislaufs.
Landschaftspflege auf vier BeinenSeit Jahrhunderten sind Schafe treue Begleiter des Menschen und wurden für ihre Wolle, Milch, ihr Fleisch und sogar als natürliche Landschaftspfleger geschätzt. Doch moderne Landwirtschaft mit leistungsbetonten Tierrassen, niedrige Erzeugerpreise und günstige Importe haben dazu geführt, dass viele alte Haustierrassen in Vergessenheit geraten sind. Schäferinnen wie Christel Simantke setzen sich aktiv für ihren Erhalt ein – nicht nur aus Überzeugung, dass altes Kulturgut erhalten bleiben sollte, sondern auch, weil diese Tiere einen unschätzbaren Beitrag zum Naturschutz leisten. „Schafe sind wahre Landschaftsgärtner“, erklärt sie.
„Durch ihr Fressverhalten sorgen sie dafür, dass Wiesen nicht verbuschen, seltene Pflanzen erhalten bleiben und Lebensräume für viele Insekten und diverse Vogelarten erhalten bleiben.“
In Kooperation mit Naturschutzprojekten, darunter „Schaf schafft Landschaft“, trägt ihre Herde dazu bei, wertvolle Grünflächen zu pflegen. Besonders im Frau-Holle-Land spielen Beweidungsprojekte eine Schlüsselrolle, um die artenreichen Kulturlandschaften zu erhalten.
Direktvermarktung als ZukunftsperspektiveUm das Walachenschaf als wirtschaftlich tragfähige Rasse zu etablieren, setzt Simantke auf die Direktvermarktung.
Hochwertiges Lammfleisch, Felle und weitere Produkte werden direkt ab Hof verkauft – eine bewusste Entscheidung gegen Massenproduktion und anonyme Handelsketten. „Wenn man den Wert dieser Tiere wirklich schätzt und die Rasse erhalten möchte, gehört auch eine nachhaltige Nutzung dazu“, betont sie. Und Nutzen beinhaltet Aufessen, denn ansonsten ist keine vitale Herdenstruktur möglich und kann man nicht züchten. Darum hat Christel Simantke gemeinsam mit dem Team vom Naturschutzprojekt „Schaf schafft Landschaft“ und dem Familienbetrieb „Der Teichhof“ neue Produkte entwickelt: Bolognese und Gulasch vom Walachenschaf. Die Produkte sind saisonal beim Walachenschafhof von Christel Simantke in Roßbach (Stadtweg 12, 37216 Witzenhausen) und im Onlineshop des Projekts erhältlich: www.holles-schaf.de
Fünf Fragen an Christel SimantkeWas hat Sie dazu bewegt, sich speziell für das Walachenschaf zu entscheiden?
Es sollte eine von Aussterben bedrohte Rasse sein. Das Aussehen, der Ausdruck und das ursprüngliche Verhalten dieser Rasse haben mich sehr angesprochen, ebenso dass die Rasse akut gefährdet war und wir die Möglichkeit hatten, aktiv zur Erhaltungszucht des Walachenschafes beizutragen. 1999 zogen somit die ersten sechs Walachenschafe bei uns ein.
Welche besonderen Eigenschaften zeichnen diese Schafrasse im Vergleich zu anderen aus?
Die Rasse zeichnet eine Vielfalt in der äußeren Erscheinung aus: sie dürfen weiß oder schwarz oder gefleckt sein, behornt oder hornlos sein; Böcke tragen immer sehr imposante Hörner. Sie sind ausgezeichnet in der Landschaftspflege und im Geschmack. Letzteres zeigt sich durch ein feinfaseriges, zartes Fleisch, das etwas an Wild erinnert.
Welche Herausforderungen bringt die Haltung einer vom Aussterben bedrohten Rasse mit sich?
Der Gesamtbestand an Walachenschafen ist mit rund 400 – 500 Tieren in Deutschland sehr klein. In der Zucht erfordert dieser Umstand eine ausgetüftelte Planung, welche Böcke mit welchen weiblichen Schafen verpaart werden, um Inzucht zu vermeiden. Zur Deckzeit im Herbst haben wir daher mehrere Herden, jeweils mit einem Bock und einigen Auen. Wir stehen im aktiven züchterischen Austausch mit den Ursprungsländern der Rasse wie der Tschechischen und der Slowakischen Republik. Auch hier ist die Rasse vom Aussterben bedroht.
Wie erleben Sie das Interesse von VerbraucherInnen an Ihren Produkten?
Verständlicherweise sind die Produkte nicht weithin bekannt, wir können und wollen ja auch nicht für einen großen Markt produzieren. Wir haben einen stabilen Kundenkreis, wer die Produkte kennt, möchte sie in der Regel nicht mehr missen. Interesse an der speziellen Rasse ist eher seltener vorhanden.
Wie könnte man die Bedeutung alter Nutztierrassen noch stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken?
Über verschiedene Wege der Öffentlichkeitsarbeit, von der regionalen Zeitung bis hin zu Fernsehreportagen. Verbraucher:innen können die Haltung alter Nutztierrassen fördern, indem Organisationen, die sich für den Erhalt der Rassen einsetzen, unterstützt werden, z.B. durch eine Mitgliedschaft. Die in Witzenhausen ansässige GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen) ist hier der ideale Ansprechpartner (www.g-e-h.de). Hier wird jährlich eine „Gefährdete Rasse des Jahres“ gewählt, die dann breit in den Medien vorgestellt wird. 2022 und 2023 waren die Walachenschafe die „Gefährdete Rasse des Jahres“.