Anlässlich der bundesweiten Aktionswoche Wiederbelebung Ende September unterstrich das Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) noch einmal die Bedeutung der Laien-Reanimation. Wie entscheidend schnelles Handeln ist, zeigte Silke Bruns: Sie befolgte die Schritte „Prüfen – Rufen – Drücken“ und rettete damit ihrer Kollegin Janet Fütterer das Leben.
Mehr als 120.000 Menschen betroffen
Laut Bundesministerium für Gesundheit erleiden in Deutschland jedes Jahr rund 120.000 Menschen einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses. In über 60 Prozent der Fälle sind andere Personen anwesend. Dennoch überlebt nur etwa jede zehnte betroffene Person – meist, weil nicht sofort gehandelt wird. Würden PassantInnen oder Angehörige im Ernstfall sofort mit einer Herzdruckmassage beginnen, könnten jährlich schätzungsweise mehr als 10.000 Menschenleben zusätzlich gerettet werden.
Wenn Minuten über Menschenleben entscheiden
Entscheidend sind die ersten Minuten: Wer schnell und entschlossen handelt, wenn eine Person kollabiert, kann mit einfachen Maßnahmen ein Leben retten. Bis der Rettungsdienst eintrifft, gilt: prüfen, rufen, drücken. Bewusstsein und Atmung kontrollieren, den Notruf 112 absetzen und sofort mit der Herzdruckmassage beginnen. Wenn verfügbar, sollte zusätzlich ein Automatisierter Externer Defibrillator (AED) eingesetzt werden.
Schockmoment bei der Arbeit
Wie wichtig dieser Ablauf ist, zeigt der Fall von Janet Fütterer: Am 19. Juni 2025 verlor die 50-Jährige während der Arbeit plötzlich das Bewusstsein. Eine Kollegin fand sie wenige Augenblicke später reglos am Schreibtisch vor und rief sofort um Hilfe. Silke Bruns, ebenfalls Kollegin in der Firma, begann unmittelbar mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung und hielt die Herzdruckmassage so lange aufrecht, bis Dr. Nikola Kyuchukov, Notarzt in der Klinik für Anästhesiologie der UMG, und Notfallsanitäter Christoph Haus von der Berufsfeuerwehr Göttingen eintrafen.
„Es war ein Schock, aber ich wusste: Ich darf keine Zeit verlieren. Einfach anfangen, weitermachen und nicht aufhören, bis Hilfe kommt. Das war das Wichtigste in diesem Moment“, erinnert sich Silke Bruns. „Per Telefon hat mich ein Mitarbeiter der Feuerwehrleitstelle perfekt bei der Herzdruckmassage unterstützt. Die Anstrengung habe ich in diesem Moment gar nicht gespürt und einfach so lange durchgehalten, bis der Rettungsdienst vor Ort war“, so Bruns weiter.
„Ohne die sofort begonnene Herzdruckmassage durch ihre Kollegin hätte Janet Fütterer kaum eine Überlebenschance gehabt. Jede Minute ohne Herzdruckmassage verringert die Wahrscheinlichkeit zu überleben um etwa zehn Prozent“, betont Priv.-Doz. Dr. Nils Kunze-Szikszay, Leiter der Notfallmedizin der Klinik für Anästhesiologie der UMG.
Eine funktionierende Rettungskette
Aufgrund des schnellen Einsatzes der Ersthelfenden, konnte das Rettungsteam den Kreislauf der Patientin wiederherstellen. Janet Fütterer wurde nach der Erstversorgung in die UMG gebracht, wo sie vom sogenannten Cardiac Arrest Team weiterbehandelt wurde. In einem Cardiac Arrest Center arbeiten Kardiologie, Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin eng zusammen, so dass immer ein Team von SpezialistInnen bereitsteht, das unmittelbar spezialisierte Maßnahmen bei PatientInnen mit Herz-Kreislauf-Stillstand durchführen kann.
„Das Besondere am Cardiac Arrest Center ist die enge Verzahnung aller Fachbereiche. Durch standardisierte Abläufe, 24/7-Bereitschaft und interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessern wir die Überlebenschancen unserer PatientInnen deutlich“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Ruben Evertz, Oberarzt in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und zuständiger Arzt für das Cardiac Arrest Center.
Was kommt nach der Akutversorgung
Einen Tag später erhielt Silke Bruns im Büro den erlösenden Anruf aus der Klinik von Janet Fütterers Ehemann. „Als ich gehört habe, dass Janet im Bett sitzt und spricht, habe ich gejubelt – und mit mir das ganze Team im Büro“, blickt Bruns noch einmal zurück.
Nach einem überlebten Herzstillstand mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen wird in vielen Fällen ein sogenannter implantierbarer Cardioverter-Defibrillator, kurz ICD, eingesetzt. Dieses kleine Gerät wird unter die Haut implantiert und überwacht den Herzrhythmus. Auch bei Janet Fütterer wurde ein ICD eingesetzt.
Den Eingriff führte Dr. Eva Rasenack, Oberärztin in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, durch: „Das Gerät überwacht das Herz dauerhaft: Erkennt es eine gefährliche Rhythmusstörung, gibt es automatisch einen Elektroschock ab und kann so einen erneuten Herzstillstand verhindern.“
Nach der Akutversorgung erfolgt die Weiterbehandlung auf der Intensivstation. Dort werden Herzschwäche, Rhythmusstörungen und mögliche neurologische Folgen überwacht. Hieran schließt sich eine langfristige Betreuung mit Rehabilitation und vorbeugenden Maßnahmen an. Janet Fütterer hat sich inzwischen vollständig erholt. Als direkte Konsequenz hat die Geschäftsführung ihres Unternehmens zwei Defibrillatoren angeschafft, um im Ernstfall noch schneller reagieren zu können.
Im Notfall direkt handeln
„Ich bin meiner Kollegin für ihr sofortiges Eingreifen unendlich dankbar. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr hier. Dank Silke kann ich im Juni meinen zweiten Geburtstag feiern“, sagt Janet Fütterer.
Die Geschichte von Janet Fütterer und ihrer Lebensretterin Silke Bruns sollte uns alle für die Bedeutung der Laien-Reanimation sensibilisieren und ermutigen, im Notfall selbst aktiv zu werden...